Theologisches

WEIHESTAMMBAUM VON BISCHOF ZDARSA, der mich 2018 zum Priester geweiht hat.

Etwa zwei Drittel der Christen1 sind in Kirchen organisiert, für die nach ihrem eigenen Selbstverständnis das Kirchesein in einem wesentlichen Zusammenhang steht mit der „Apostolischen Sukzession”. Das bedeutet, dass die Wirklichkeit der meisten Sakramente abhängig davon ist, ob der Spender sie auch „kann”. Für die einzelnen Gläubigen in diesen Kirchen hängt davon z.B. ab, ob die Lossprechung in der Beichte gültig ist und ob in der Eucharistiefeier, an der sie teilnehmen, wirklich Leib und Blut des Herrn ausgeteilt werden.

Zu dieser großen Mehrheit der Christen gehören neben den in ununterbrochener Tradition zur Urkirche stehenden Kirchen (römisch-katholisch, orthodox, altorientalisch (miaphysitisch ebenso wie nestorianisch) auch große Teile der aus der Reformation hervorgegangenen Gemeinschaften (insbes. Anglikaner und einige Lutheraner), ja sogar manche Freikirchen. Die im 20. Jahrhundert in der katholischen Theologie entstandene und in der Folge des 2. Vatikanischen Konzils üblich gewordene Unterscheidung der Konfessionen nach dem Grad der Kirchlichkeit zieht auch genau dieses Kriterium als das entscheidende heran.

Demnach gibt es „Kirchen [, die] trotz ihrer Trennung wahre Sakramente besitzen, vor allem aber in der Kraft der apostolischen Sukzession das Priestertum und die Eucharistie“2, sowie kirchliche Gemeinschaften, die „vor allem wegen des Fehlens des Weihesakramentes die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben“3.

Das 2. Vatikanische Konzil macht in der Konstitution über die Kirche (Lumen Gentium), Nr. 20, deutlich, von welch großer Bedeutung für die Kirche die Ableitung des Bischofsamts von dem der Apostel ist und bezieht sich dafür ausdrücklich auf die Theologie der Urkirche:

„Jene göttliche Sendung, die Christus den Aposteln anvertraut hat, wird bis zum Ende der Welt dauern (vgl. Mt 28,20). Denn das Evangelium, das sie zu überliefern haben, ist für alle Zeiten der Ursprung jedweden Lebens für die Kirche. Aus diesem Grunde trugen die Apostel in dieser hierarchisch geordneten Gesellschaft für die Bestellung von Nachfolgern Sorge.

Sie hatten nämlich nicht bloß verschiedene Helfer im Dienstamt, sondern übertrugen, damit die ihnen anvertraute Sendung nach ihrem Tod weitergehe, gleichsam nach Art eines Testaments ihren unmittelbaren Mitarbeitern die Aufgabe, das von ihnen begonnene Werk zu vollenden und zu kräftigen. Sie legten ihnen ans Herz, achtzuhaben auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist sie gesetzt habe, die Kirche Gottes zu weiden (vgl. Apg 20,28). Deshalb bestellten sie solche Männer und gaben dann Anordnung, dass nach ihrem Hingang andere bewährte Männer ihr Dienstamt übernähmen. Unter den verschiedenen Dienstämtern, die so von den ersten Zeiten her in der Kirche ausgeübt werden, nimmt nach dem Zeugnis der Überlieferung das Amt derer einen hervorragenden Platz ein, die zum Bischofsamt bestellt sind und kraft der auf den Ursprung zurückreichenden Nachfolge Ableger apostolischer Pflanzung besitzen. So wird nach dem Zeugnis des heiligen Irenäus durch die von den Aposteln eingesetzten Bischöfe und deren Nachfolger bis zu uns hin die apostolische Überlieferung in der ganzen Welt kundgemacht und bewahrt“.

Mehrere Sakramente sind nach dem Glauben der traditionellen Kirchen davon abhängig, dass ihr Spender die Vollmacht, bzw. Fähigkeit sie zu spenden von jemandem erhält, der sie selbst besitzt, nämlich die Firmung, die Eucharistie, das Sakrament der Versöhnung, die Krankensalbung und das Weihesakrament.

Daraus folgt die enorme Reichweite der Frage nach der Apostolischen Sukzession: wenn die für die Spendung dieser Sakramente erforderliche Vollmacht nicht empfangen wurde, kommen auch die entsprechenden Sakramente nicht zustande.

Die Apostolische Sukzession verbindet uns übrigens nicht nur mit der Kirche der Vergangenheit bis zurück zu den Aposteln (diachron), sondern auch mit unseren Mitchristen überall auf der Welt (synchron). Wir empfangen ja unsere Sakramente (Taufe, Firmung, Eucharistie, Versöhnung) in der Regel von Priestern, die ihre Vollmacht dazu von einem Bischof bekamen, der sie wiederum von mehreren anderen Bischöfen erhielt, die sie ebenfalls von mehreren anderen Bischöfen haben, darunter wahrscheinlich sogar der eine oder andere Papst. Diese vielen Bischöfe aber haben auch vielen anderen Bischöfen und Priestern die Hände aufgelegt und ihnen die Vollmacht übertragen die Sakramente auszuspenden, von denen Millionen von heute lebenden Christen ihre Sakramente empfangen. Wir brauchen also in unserer „geistlichen Ahnentafel“ nur wenige „Generationen“ zurückzugehen, um dann wieder in den „geistlichen Nachkommen“ all dieser Bischöfe praktisch alle heutigen Christen weltweit (wenigstens soweit sie unserer Kirche angehören) als unsere „geistlichen Verwandten“ und Geschwister im Glauben zu erkennen. Entsprechendes gilt natürlich in allen Kirchen, die die Apostolische Sukzession bewahrt haben.

1 Ungefähr 50% römisch-katholisch, 12% orthodox und altorientalisch, 6% anglikanisch und schwedisch-lutherisch.

2 Vatikanum II, Ökumenismusdekret (Unitatis Redintegratio), 15.

3 Vatikanum II, Ökumenismusdekret (Unitatis Redintegratio), 22 und päpstliche Erklärung „Dominus Jesus“ (2007), 17.