Ahnenforschung Andreas und Gudrun Theurer

Was ist das?

Der Herr befiehlt´s

der Diener tut´s.

Ein jeder hat´s,

im Grabe ruht´s.

(Vorfahren)

Die Ahnen unserer Kinder

Bei gegenwärtigem Forschungsstand sind mir etwa 65 000 Vorfahren bekannt.

Von Mutterseite sind unsere Kinder halbe Ostpreußen, wobei die Ostpreußen selbst wohl das interessante­ste Mischvolk unter allen Deutschen „Stämmen“ sind. Über eine prussische Urbevölkerung schoben sich in verschiedenen Schichten Deutsche aus allen Gauen, später kamen litauische und masurische Einwande­rer dazu, die vor allem im Osten Ostpreußens den Hauptbestandteil der Bevölkerung gebildet haben dürf­ten. Im Samland dagegen blieb wohl viel mehr vom ursprünglichen Prussentum in den Genen – früher sagte man: im Blut – erhalten.

Gudrun scheint jedenfalls über eine typisch baltische Gaumenvariante zu verfügen, die für den Belcanto-Gesang von enormer Bedeutung ist.

Da die Kirchenbücher in Ostpreußen – verglichen mit Württemberg – mancherorts unglaublich lieblos ge­führt wurden und von diesen schon an sich recht mangelhaften Quellen noch ein großer Teil 1945 ver­nichtet wurde, konnte ich bisher von Gudruns bäuerlichen Ahnen nur etwa 150 namentlich feststellen. Durch ihre uneheliche Abstammung von ihrem Urgroßvater Hans v.Zanthier kommen jedoch viele Tausend Ahnen aus dem Ritteradel (hauptsächlich aus Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg), aber auch aus bürgerlichen Familien Hessens, Sachsens und – zahlenmäßig besonders ins Gewicht fallend – aus Lübeck und Lüneburg dazu. In mehreren Fällen ergeben sich dadurch auch Verbindungen zum mittelalterlichen europäischen Hochadel. Außerdem hatte Hans v.Zanthier einen französischen Ururgroßvater und einen ungarischen Urururur-Großvater.

Sigrun Bayer, die väterliche Großmutter unserer Kinder, wurde in Polen geboren als Nachfahrin deutscher Kolonisten, die überwie­gend in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts aus dem „Reich“ ins damals russische Mittelpolen auswan­derten. Man hatte sie angelockt mit großzügigen Versprechungen (die zum Teil sogar erfüllt wurden!), da­mit sie die völlig unterentwickelte Wirtschaft ankurbelten und der ansässigen Bevölkerung ein gutes Bei­spiel in Handwerk und Landwirtschaft geben sollten. Auch dieser Teil der ostdeutschen Kultur ging 1945 zugrunde.

Unsere nach Polen ausgewanderten Vorfahren kamen, soweit ich es bisher feststellen konnte, aus Pom­mern, Sachsen, Hessen, Schlesien und der Pfalz. Anscheinend sind sogar französische Glaubensflüchtlinge darunter [NC 8]. Aber auch von den „böhmischen Brüdern“ aus der Tschechei sollen wir angeblich abstammen (wohl über Tomm [P 3]).

Aus dem Adel stammen die v.Biedenfeld [MPAN] und die v.Rolshausen [MQNA], sowie einige Frankfurter Stadtadelsgeschlechter [NFP]. Und wahrscheinlich gehört sogar der sardinische Botschafter Carlo Beraudo [N 6] zu unseren Ahnen, über den eine unübersehbare Zahl von piemontesischen und anderen italienischen und savoyischen Adelsfamilien dazukommt.

Der größte Teil der feststellbaren Ahnen unserer Kinder kommt über den Großvater Theurer aus Würt­temberg. Der Namensstamm Theurer lässt sich zurückverfolgen bis zum 30jährigen Krieg. Um 1650 kam von irgendwoher – der Legende nach aus dem Schwarzwald – ein Jacob Theurer [AA 8] nach Lustnau, heiratete dort eine katholische Witwe und wurde der Stammvater unserer Familie.

Fast alle Ahnen meines Vaters stammen also aus Alt-Württemberg. Vereinzelt kamen aber auch Angehö­rige anderer Völker dazu. Einen relativ großen Anteil an Einwanderern stellten dabei seit der Ge­genreformation die Österreicher und nach dem 30jährigen Krieg die Schweizer. Aber auch richtige „Ausländer“ waren dabei: einige Wallonen [FL 8] darunter wohl auch Hugenotten [FK 4], [FQ 4], ein Kroate [HM 16] und ein Italiener [HF 4]. Einige Vorfahren aus verschiedenen Teilen Frankreichs ließen sich im damals württembergischen Mömpelgard nieder und wurden zu Vorfahren von Abraham Perrenon [GM 2].

Es liegt in der Natur der Sache, dass bei den Ahnen, die nicht in irgendeiner Sache ins Licht der Öffent­lichkeit getreten sind, außer den nackten Lebensdaten meist kaum etwas Interessantes aus ihrem Leben vermerkt werden konnte. Deshalb möchte ich wenigstens auf ein paar Besonderheiten hinweisen, die sich in unserer Vorfahrenliste feststellen lassen.

Während im adeligen Teil der Ahnenliste ermordete, hingerichtete oder in der Schlacht gefallene Vorfah­ren nichts Außergewöhnliches sind, so fallen im bürgerlichen Teil solche spektakulären Todesarten doch sehr aus dem Rahmen.

Extra erwähnen will ich daher zwei Selbstmörder ([DG 9] und [FP 2]) und drei als Hexen verurteilte Frauen ([HJ 17], [HP 49] und [MO 13]) von denen allerdings keine einzige als Vorfahrin zweifelsfrei fest­steht. Als politisch Verfolgter wurde hingerichtet Conrad Breuning [HKKM 2]. Als Helfer des verhassten Kanzlers Matthäus Enzlin wurde Michael Ruthard [FL 54] enthauptet. Ermordet wurden Walter Lattner [BH 28] und Sophia Kreh [GJ 5]. Im Krieg gefallen sind m.W. nur Johann Reinhardt [12] und Gabriel Stadel [HLD 4]. Außerdem starben Lydia Bretschneider [37] in ei­nem Luftangriff auf Stuttgart und kurz nach dem Krieg Albert und Martha Bayer [20/21] in einem Kon­zentrationslager in Warschau. Allerdings sind noch viele Todesdaten offen, wo Vorfahren offenbar von zu Hause weggezogen sind und ich nicht feststellen konnte, wohin. Einer zog 1765 nach Amerika [HC 2]. Manche davon werden wohl auch ein­fach noch einmal anderswo geheiratet haben. Mancher ist vielleicht aber auch weiter fort ausgewandert oder sonst irgendwie „unter die Räuber“ geraten.

Auch die weitesten Reisen unserer Vorfahren, von denen ich weiß – abgesehen vom modernen Tourismus – möchte ich erwähnen: So wanderte der schon erwähnte Jakob Walz [HC 2] nach Amerika aus und 1498 starb Sig­mund v.Remchingen [EMG 8] auf einer der Kapverdischen Inseln, als er mit Kolumbus auf der Fahrt nach Südamerika war. Manche Ahnen unternahmen Pilgerfahrten nach Santiago oder ins Heilige Land; außer unzähligen Adeligen waren dies Jakob Endris [EEP 8] und Johann Münsinger [GFO 26].

Sogar ein paar biologisch-genetische Beobachtungen scheinen mir in unserer Ahnentafel möglich: So häu­fen sich bei den Nachkommen der Ehepaare [E 8/9], [G 6/7] und [A 6/7] Erbkrankheiten in so auffallen­dem Maß, dass wohl eine entsprechende erbliche Belastung konstatiert werden kann. Andererseits fällt auch eine außerordentliche technische Begabung bei vielen Nachkommen von [E 4/5] auf.

Von den oben erwähnten etwa 65000 Ahnen sind ungefähr 45000 dem europäischen Hochadel zuzurech­nen. Das kommt daher, dass unter meinen Vorfahren manches uneheliche Kind eines Adeligen war.

Den größten Anteil in dieser Aufstellung nimmt dabei Jakob Ludwig Hubbauer [G 14] ein, der nach lei­der unbeweisbarer, aber m.E. dennoch glaubhafter Familienüberlieferung den berühmt-berüchtigten würt­tembergischen Herzog Carl (Eugen) zum Vater hatte, der in seinen wilden Jahren angeblich hunderte Kinder in seinem „Ländle“ gezeugt haben soll.

Seine Vorfahren kamen aus ganz Europa – praktisch alle wichtigen Familien zwischen Irland und Israel, zwischen Spanien und Russland, zwischen Sizilien und Norwegen gehören somit in diese Ahnenliste.

Von einem beträchtlichen Teil dieser Familien stammen wir aber vermutlich auch zweimal ab über Ulrich V. [HMBH 12], einmal von seinem Bruder Ludwig v.Würtemberg [DGKJ 12] und dreimal von ihrem Vater Eberhard v.Württemberg [FKPM 22], sowie zweimal durch Schweickher v.Gundelfingen [FEON 1] und einmal durch Schenk Friedrich III.v.Limpurg [GQQA 32], die es mit der ehelichen Treue ebenfalls nicht so genau nah­men.

Ein besonders interessanter Fall ist in diesem Zusammenhang Sibylle v.Remchingen [EM 11], die sich 1621 von einem Neubulacher Bäckerlehrling schwängern ließ. Leider konnte ich ihre Eltern bisher nicht exakt feststel­len, aber sehr wahrscheinlich führt auch über diese Frau mancher Weg in den Hochadel.

Insgesamt sind mir somit etwa 20 verschiedene „Hochadelsanschlüsse“ bekannt, sowie noch einige Anschlüsse an den Ritteradel, dessen Ahnen sich aber leider oft nicht weit zurückverfolgen lassen.

Die ältesten mit einiger Sicherheit feststellbaren Ahnen, zu denen eine ununterbrochene Abstammungsrei­he führt, sind die ersten um das Jahr 600. Über die durchaus sehr wahrscheinli­che Abstammung von den Merowingern (ab ca.450) gibt es zwar einige alte Traditionen und moderne For­schungen, aber trotzdem keine Beweise.

Wenn man aber in Kauf nimmt, dass einige Abstammungswege nicht exakt überprüfbar sind, kann man die Ahnenreihe sogar noch über die armenischen Fürstenfamilien des Frühmittelalters und die Diadochen­familien des Vorderen Orients zu den persischen Achämeniden und sogar bis zu den Pharaonen des „Mitt­leren Reichs“ (ca.1800 v.Chr.) zurückführen. Selbstverständlich stammen wir – wie wohl alle Europäer – von diesen Familien ab und es kann als absolut sicher gelten, dass es genealogische Brücken von den Herrscherdynastien der orientalischen Klientelstaaten des Römischen Reiches zum byzantinischen und ar­menischen Adel gab. Auch wenn also in den konkreten Abstammungslinien erhebliche Fehler sein dürf­ten, halte ich es doch für angemessen zu sagen: Stimmt´s nicht so, stimmt´s eben anders!

Wir müssen immerhin bedenken, dass sich mit jedem Jahrhundert, das wir zurückgehen, die Zahl der gleichzeitig lebenden Vorfahren etwa verzehnfacht! Das heißt: vor 300 Jahren lebten etwa 1000 Ahnen, um 1400 etwa 1 Million und schon um 1100 wäre es eine Milliarde, wenn es damals schon so viele Men­schen gegeben hätte. Somit können wir davon ausgehen, dass wir von allen Südwestdeutschen, die um das Jahr 1400 lebten, abstammen – sofern sie überhaupt Nachkommen hinterließen. Entsprechendes gilt wohl für alle Mitteleuropäer um 1300, alle Europäer um 1000 und alle Bewohner des europäisch-asiatisch-nordafrikanischen Kulturkreises zur Zeit des römischen Imperiums. Selbst entlegene Völker brauchen wir von dieser Regel nicht auszunehmen. Nehmen wir an, es hätte beim Tatareneinfall 1660 in Ostpreußen nur ein Tatar dort ein Kind zurückgelassen. So hat dieser eine Tatar doch ums Jahr 1000 schon eine Mil­lion Vorfahren. Oder wenn beim „Mongolensturm“ nur ein einziger Mongole um 1250 in unsere Ahnenliste gerutscht ist, dann gehören um 600 schon etwa 1 Million Angehörige seines Volkes zu unseren Ahnen! Das gleiche gilt für jeden aus Schwarzafrika auf die römischen oder arabischen Sklavenmärkte verschleppten! Somit dürfen wir wohl die Ahnen aller Völker der „Alten Welt“ auch zu unseren Vorfahren rechnen.

Fast alle mir bekannten (nachreformatorischen) Vorfahren waren lutherischen Glaubens. Die einzigen grö­ßere Ausnahmen warrn die Katholiken Johann Christoph Lüdke [L 4] und Susanna Barbara Tambach [N 15], sowie die Vorfahren von Carlo Beraudo [N 6]. Calvinisten als Ahnen sind mir kaum bekannt – wahrscheinlich dürften aber die vereinzelten Hugenottenfamilien (L´Admirants [FK], Lecron [N], Ploucquet [FQ]) dazu zu zählen sein. Auch unter den Vorfahren Herzog Carl Eugens gab es neben vielen Katholiken vereinzelte Calvinisten.

Was mich natürlich besonders interessiert, sind die Geistlichen unter unseren Vorfahren. Der jüngste Pfar­rer in meiner Ahnenliste [H 12] lebte zwar schon vor 200 Jahren. Insgesamt stamme ich aber von über 100 Pfarrern ab, darunter die berühmten Reformatoren Matthäus Aulber (Reutlingen) [GQJ 28], Andreas Osiander (Nürnberg und Ostpreußen) [FLH 8] und in der folgenden Generation Jacob Andreä [EEP 4], der Vater der Konkordienformel.

Aber auch entschieden gegenreformatorische Männer finden sich unter den Vorfahren, z.B. Herzog Carl Alexander [GN 2], der Württemberg zum Katholizismus zurückführen wollte.

Einige religiöse Persönlichkeiten, von denen wir über den mittelalterlichen Hochadel abstammen, möchte ich noch besonders erwähnen:

An erster Stelle und stellvertretend für viele Heiliggesprochene die heilige Elisabeth v.Thüringen. Sogar von Papst Innozenz VIII. [NLQF 14] und Gegenpapst Felix V. [GNGC 10] stammen wir ab.

Auch ein Bruder von Thomas v.Aquin, dem bedeutendsten mittelalterlichen Theologen, findet sich unter Carl Eugens Ahnen.

Im Internet fand ich außerdem einige Ahnenreihen, die zum sogenannten „Propheten“ Mohammed, dem Stifter des Islam, führen, wobei der wissenschaftliche Wert dieser Anga­ben vielfach recht zweifelhaft erscheint.

Jüdische Familien konnte ich unter den bürgerlichen Ahnen leider keine feststellen. Ins Basler Patriziat kamen im Mittelalter vereinzelte Judenfamilien [BFGP] und im Hochmittelalter auch ins Kölner.

Dass die Christmann [GDP 4] und vielleicht auch die Bab [EB] jüdischer Abstammung waren, kann man vermuten, aber leider nicht beweisen.